PLÄDOYER für die NUTZUNG von ARBEITSPFERDEN

Die Domestikation des Wildpferdes, Equus ferus in mehreren Unterarten, erfolgte in verschiedenen Regionen Eurasiens – zeitlich etwas versetzt – vor ± 5 ½ Tausend Jahren. Nimmt man ein Generationsintervall von acht Jahren an, was realistisch erscheint, ergäben sich rd. 680 Pferdegenerationen, in denen durch züchterische Selektion eine Vielzahl von Rassen entstand, die für verschiedenste Zwecke genutzt werden konnten.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich – grob skizziert – folgende Nutzungstypen beim Hauspferd etabliert:

  • Reitpferde für militärische und zivile Nutzung; heute überwiegt die zivile Nutzung – Reitsport unterschiedlichster Disziplinen der durchweg durch „Veredlerrassen“ geprägten Schläge.

  • Arbeitspferde, sowohl Ponies als auch Großpferde, die als Tragtiere, Zugtiere und als Arbeitspferde in der Landwirtschaft genutzt werden. Hausesel und deren Hybriden (Maultier und Maulesel) gehören ebenfalls in die Kategorie Arbeitspferde.

  • Zugpferde im eigentlichen Sinne, also sog. Kaltblutpferde verschiedener Rassen, deren Ursprungsgebiete v. a. die Küstenregionen der Nordsee oder diesen benachbarte sind. Infolge der industriellen Revolution erlebte auch die Landwirtschaft einen gewaltigen Umbruch mit zunehmender Mechanisierung im Hackfrucht- (Zuckerrübe, Kartoffeln) und im Getreideanbau (v. a. Weizen auf schwereren Böden). Der enorm steigende Bedarf an tierischer Zugkraft in Landwirtschaft und Transportgewerbe verlangte nach massigen und zugkräftigen Pferden, also Kaltblutpferden, deren systematische Zucht in den Jahrzehnten begann, die der endgültigen Niederlage Napoleons in der Schlacht von Waterloo (18. Juni 1815) folgten.

  • Rennpferde: Das Englische Vollblut (xx), das Galopprennpferd par excellence, ist ein „global player“, der bis auf die Antarktis sämtliche Kontinente erobert hat, als sog. Veredlerrasse in der Reitpferdezucht unverzichtbar ist.
    Araber, vor allem Vollblutaraber (ox) werden ebenfalls in Galopprennen geprüft und zeichnen sich durch (vom Menschen definierte) Schönheit aus, weshalb sie sie in der Reitpferdezucht auch als „Veredlerrasse“ eingesetzt werden.
    Trabrennpferde laufen ihre Rennen i. a. vor dem Sulky, nur in Frankreich finden auch Trabrennenn unter dem Sattel statt. Die bekanntesten Traberrassen sind der Amerikanische Traber/standardbred, der Französische Traber und der russische Orlowtraber sowie deren Kreuzungen. Die nordeuropäischen Traberrassen (Norwegen, Schweden, Finnland) haben eher regionale Bedeutung.

Gleichgültig, ob als Renn-, Reit-, Zug-, Pack- oder Freizeitpferd genutzt, für das betreffende Pferd ist die vom Menschen geforderte Aufgabe immer Arbeit, denn: Eine Last – Reiter, Fahrzeug, Pflug, Baumstamm etc. – wird unter Einsatz von Körperkraft fortbewegt.

Stellt sich die moralisch-ethische Frage: Darf der Mensch zu seinen Gunsten von einem Tier Arbeit bzw. Leistung verlangen? Man könnte die Frage überspitzen: Darf ein Mensch von einem anderen Menschen Arbeitsleistung verlangen? Sklavenarbeit ist absolut obsolet, ist unmoralisch. Gegen Lohnarbeit bei gerechtem Lohn und unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen wird kaum jemand Einwände erheben; Milliarden Menschen weltweit können davon nur träumen!

Bezogen auf Arbeitspferde, Arbeitsesel und -maultiere bzw. -maulesel darf Leistung verlangt, werden, wenn nachstehende Kriterien erfüllt sind:

  • Tiergerechte Fütterung, Wasserversorgung, fachgerechte Pflege einschließlich Hufpflege, Krankheitsprophylaxe (Impfungen und Parasitenbekämpfung).

  • Tiergerechte Unterbringung (Stallung) mit regelmäßigem Weidegang.

  • Sorgfältige und fachgerechte Ausbildung für die zu fordernde Arbeitsleistung.

  • Sorgfältige Konditionierung des Tieres auf die zu fordernde Arbeitsleistung.

  • Zeitliche Beschränkung der täglichen Einsatzzeit; notwendige Ruhepausen einhalten.

  • Ruhiger, immer beherrschter Umgang mit dem Tier mit eindeutigen Befehlen.

  • Nur in absoluter Ausnahmesituation vom Tier Höchstleistung abfordern und dann auch nur mit Hilfe der menschlichen Stimme!

  • Innerartlicher Kontakt zwischen den Tieren muss möglich sein; bei Hengsten oder unleidlichen Tieren nicht unbedingt empfehlenswert oder möglich.

Da ein geldlicher Arbeitslohn an ein Tier auszuzahlen, unsinnig ist, ist die Beachtung vorstehender Punkte geeignet, dem Tier ein tiergerechtetes Dasein zu ermöglichen. Zum einen, weil 680 Generationen im Haustierstand aus dem Wildpferd oder dem Wildesel ein Haustier geformt haben. Da Equiden in Sozialverbänden leben, kommen sie mit dem Menschen gut zurecht, so dieser sozialverträgliche Dominanz ausstrahlt.
Der reichlich naiven Vorstellung bestimmter menschlicher Gruppierungen, bei freilebenden Pferden herrsche himmlischer Frieden, alles stünde in fortwährendem sozialen Gleichgewicht, würde jedes Pferd, jeder Esel widersprechen, könnten sie denn sprechen. Innerartliche Auseinandersetzungen verlaufen bei Equiden allerdings durchweg eindeutiger, klarer als dies zwischen Menschen der Fall ist.


Personen, die Tiere halten und mit Hilfe von Tieren Arbeit verrichten wollen, haben sich strikt an das Tierschutzgesetz (TierSchG) und seine Bestimmungen zu halten. Insbesondere die §§ 1, 2 und 3 sowie 11, Abs. 1 TierSchG sind besonders zu beachten. Unter www.juris.de können Interessierte, wozu alle mit Pferden Arbeitende gehören, den Text des Tierschutzgesetzes herunterladen.

Es hat lange gedauert, bis die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere in das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen wurden. Der entsprechende Artikel lautet:

GG Art 20a

Der Staat schütz auch in Verantwortung für die künftigen
Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere
im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetz-
gebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die
vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.


Zugegeben: Ein recht spröder Text, der interpretationsfähig ist, vielleicht sogar Gutes bewirken könnte.


Es ist selbstverständlich, sollte es zumindest sein, dass diejenigen, die mit Equiden arbeiten, sich die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten angeeignet haben z. B. durch die Teilnahme an den entsprechenden APRI-Kursen und Prüfungen der IGZ, s. dort.


Abschließend zu den noch vorhanden Kaltblutrassen: Fachgerecht ausgebildete Arbeitspferde = Zugpferde sind, will man wirklich umweltverträgliche Forstwirtschaft betreiben, einfach unentbehrlich, da Boden und Bestand schonend. Vollernter & Co mögen zwar Techno-Freaks begeistern, sind für die Waldböden, das wichtigste und nicht vermehrbare Kapital der privaten und öffentlichen Waldbesitzer, eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes.
Im Gemüsebau können Zugpferde bodenschonende Arbeit leisten, auch Flächen mit ungünstigem Zuschnitt schonend bearbeiten. Wichtig für den Gemüseanbauer (w + m) sind Nähe zu Ballungsgebieten und der Aufbau eines festen Kundenstammes.

Aus eigenem Erleben kann ich nur feststellen: Pferdearbeit im Wingert ist die Wohltat für Boden, Reben und Qualität des Weines!

Weitere Einsatzmöglichkeiten für Zugpferde sind Kommunalarbeiten und Sanfter Tourismus, worüber an anderen Stellen mehrfach berichtet wurde.

Der Ansicht, Kaltblutpferde seien ideale Reitpferde, muss heftig widersprochen werden. Weder Physiologie noch Anatomie machen Zugpferde zu für den Reitsport wirklich geeignete Tiere, weder zum Dressurreiten noch zum Westernreiten oder gar zur Volksbelustigung Galopprennen. Im Fahrsport können gut ausgebildete und konditionierte Kaltblutpferde manchmal Beachtliches leisten. Als durchweg gelassene Pferde eignen sich Kaltblutpferde sehr gut für entspannende Freizeitaktivitäten im Sattel oder auf dem Bock. Aber das eigentliche Aufgabengebiet ist die Zugleistung, über Generationen genetisch gefestigt.
Es grenzte an Ignoranz und Dummheit, wollte man die wertvollen Kaltblutrassen durch „Außer-Dienst-Stellung“ zugrunde richten.

Nichts spricht gegen die umsichtige und respektvolle Arbeit mit Zugpferden!

Die guten Kaltblutrassen zu erhalten und Arbeitsfelder zu bewahren, besser noch zu erweitern, ist und sollte die wichtigste Aufgabe für die IGZ und ihre Mitglieder sein.



Dr. Reinhard Scharnhölz
Fachtierarzt f. Zuchthygiene u. Besamung
von 1997 bis 2013 Vors. der IGZ

Kerpen, 12. November 2018